Kerala, Lepradorf
Kerala, Lepradorf

Ich erinnerte mich an einen indischen Freund Pater Cyprian, ein Kapuziner, der jahrelang in Münster studiert hatte, jedoch 1980 längst wieder in seiner Heimat war. Er wurde per Telegramm über meine Indienreise benachrichtigt. Ich erhoffte mir, durch ihn in Indien Kontakte zu den Leprakranken herstellen zu können. In Begleitung meines Mannes landete ich in Trivandrum, Süd-Indien. Überraschenderweise nahm uns aber ein fremder Kapuziner, Pater Stephan, in Empfang. Im Gespräch mit ihm stellte sich heraus, dass er sich seit Jahren mit Leprakranken befasste. Er entwarf zusätzlich noch ein Projekt für ausgestoßene und obdachlose Leprakranke in der Diözese Trichur in Kerala, Süd-Indien. Es gelang ihm jedoch nicht, einen Sponsor für dieses so notwendige Projekt zu finden. Ich hörte ihm zu mit innerer Spannung und zugleich Begeisterung. Dabei dachte ich, dass mein Vorhaben bei der Indien-Reise mit seinen Auslegungen übereinstimmte.

Ich stellte mir die Frage: "Ist es ein Zufall, oder sogar eine Fügung?" Meine Gedanken kreisten nur um das in Sicht stehende Projekt. Ich dachte an die vielen Leprakranken, die ich aus der tiefsten Verzweiflung herausholen könnte. Es war mir aber klar, dass die Entscheidung nicht nur an mir lag. Tausende von Fragen schwebten in meinem Kopf. Bin ich überhaupt in der Lage mit der Idee, ein Lepradorf zu gründen, andere Menschen zu begeistern?

Pater Stephan stellte mir die Projektziele vor:

  • Bau von Häusern, um den von der Gesellschaft Ausgestoßenen einen festen Wohnsitz anbieten zu können und gleichzeitig die medizinische Versorgung der Kranken zu ermöglichen;
  • Bau von Brunnen, um die Wasserversorgung zu sichern;
  • Bau einer Werkstatt, um Arbeitsplätze für die noch arbeitsfähigen Patienten und auch deren Familien anbieten zu können. Ihr Lebensunterhalt sollte damit gesichert werden.
  • Bau eines Schwesternhauses, um Krankenschwestern die Möglichkeit zu geben, die Leprakranken jederzeit betreuen und pflegen zu können.

Nach der Rückkehr aus Indien entbrannten heiße Diskussionen in Dinslaken um das Projekt "Lepradorf in Kerala". Ich hatte viel Glück, da meine Berichterstattung auf offene Ohren und auch offene Herzen stieß. Nun war die St. Vincentius Gemeinde bereit, die Finanzierung des Projektes zu übernehmen.

Das Dorf sollte in Wadakanchery, 20 Km von der Stadt Trichur entstehen. Der Kauf des Landes wurde schon vorher mit Spenden des III. Franziskaner Ordens von Österreich gesichert. Leiter des Projektes wurde Dr. Stephan Jairai, Prior des Kapuzinerkloster in Trichur.

Die Realisation dieses Projektes forderte enorme Anstrengungen, eine konkrete Hilfe für hilfslose, verkrüppelte und dazu noch ausgestoßene Leprakranke.

Kontinuierlich ist das nötige Geld von Dinslaken nach Kerala geflossen. Auch Pater Stephan berichtete systematisch über das Erreichte vor Ort. Er selbst besuchte einige Male Dinslaken, um alle offenen Fragen bei unserer Zusammenarbeit zu erörtern.

Im Februar 1982 fanden die Eröffnung und Einweihung des Lepradorfes statt. Die Leprakranken durften in die schon entstandenen Häuser samt Familienangehörigen einziehen. Die Freude über das Erreichte ließ ich mir nicht nehmen. So reiste ich mit meinem Mann nach Süd-Indien. Wir konnten im Lepradorf die letzten Vorbereitungen beobachten, die fieberhaft von allen Bewohnern und Helfern vollendet wurden. Noch in der letzten Woche wurde ein Weg von dem unten im Tal liegenden Bahnhof bis nach oben zum Eingang in das Lepradorf gelegt.

Löwengesicht
Löwengesicht

Der Festtag brach an. Die Leprakranken strahlten. Gäste von der ganzen Umgebung, auch der Ministerpräsident von Kerala und der Bischof aus Trivandrum waren anwesend. Die Werkstatt, die noch als Rohbau stand, wurde zur Bühne umfunktioniert. Geduldig hörten wir einer Reihe von Rednern zu. Das Grußwort aus Dinslaken konnten wir persönlich überbringen. In den Abendstunden feierten wir weiter. Es war ein gemeinsames Mahl mit den Leprakranken. Sie saßen im Kreis am Boden, Pater Stephan, mein Mann und ich waren unter ihnen. Wir hatten alle vor uns statt Teller ein großes Bananenblatt. Die Leprakranken verteilten Reis und Gemüse von Eimern, die sie im Kreis herumtrugen. Mein Herz schlug höher. Wir schauten uns gegenseitig im Kreise an und lächelten. Es war eine Stimmung, bei der wir uns ohne Worte verstanden.

Es gelang uns bis zum Jahre 1985 dieses Projekt vollständig zu realisieren.

Auf einem Grundstück von 5 km² Größe entstand ein Lepradorf. Es umfaßt:

  • 40 kleine Einfamilienhäuser,
  • 1 kleines Krankenhaus,
  • 1 Schwesternhaus,
  • 1 Werkstatt,
  • einige Brunnen zur Sicherung der Wasserversorgung.

In der Werkstatt werden Kerzen, Körbe und auch andere Gegenstäne produziert.

Ich blicke gedanklich mit Freude und Zufriedenheit zurück. Denn auch heute noch finden Leprakranke eine feste Bleibe, Schutz und liebevolle Betreuung im Lepradorf Wadakanchery.

Dieser Erfolg ist der aktiven Mithilfe und Spendenbereitschaft der Dinslakener Mitbürger zu verdanken.

Einweihungsfeier
Einweihungsfeier

Tuberkulose-Reha-Zentrum in Trivandrum  – unser neues Projekt

Pater Samuel Kidangil OIC machte mich aufmerksam auf T.B. Patienten, die ausgestoßen aus ihren Familien – der T.B. wegen – dahinvegetierten. Seine Mitbrüder im Kloster gewährten diesen Menschen Unterkunft und Verpflegung.

Außerdem sollte auf meinen Vorschlag hin durch eine medizinische Untersuchung festgestellt werden, ob das Personal noch Ansteckung gefährdet ist.

Meine erste Station in Indien war Trivandrum, Kerala. Dort gibt es ein TB-Reha-Zentrum für ausgeheilte TB-Patienten, die jedoch von der eigenen Familie ausgestoßen werden. Die Ursache ist die Angst vor Ansteckung. So ist diesen Menschen nach der Entlassung vom Krankenhaus nur ein Weg offen geblieben: auf den Straßen zu leben und bettelnd sich den Lebensunterhalt zu verdienen.

Vortrag für Theologiestudenten und Priester: "Die Aufgabe des Priesters im Kampf mit der Lepra, Erkennung der Krankheit, Selbstsschutz, Aufklärung der Kranken, deren Familien und Schutz der Umgebung"

 

Der Flug von Düsseldorf nach Trivandrum, Kerala, führte durch Dubai. Beim Umsteigen befand ich mich plötzlich in einem sehr großen Raum mit gehbehinderten Passagieren. Der Flughafenservice funktionierte auch hier einwandfrei, aber auf eine für mich ungewöhnliche Weise. Man rief laut die Namen der Rollstuhlfahrer auf und winkte mit den Bordkarten. Die gesuchte Person wurde anschließend zum Gate gefahren, falls notwendig gratis mit Essen versorgt. Diese Art von Barmherzigkeit begegnete mir zum ersten Mal.