Turkmenistan

Im Mai 1998 gelang es mir, mit meinem Mann nach Turkmenistan zu fliegen, wo sich zum damaligen Zeitpunkt 126 Leprakranke befanden.
Der Lepraarzt, Herr Amangeldy Gowshudov, nahm uns am Flughafen in Aschhabad mit seiner Frau in Empfang.
Die Herzlichkeit und Offenheit dieser Menschen machte es für uns möglich, dass wir uns dort sofort heimisch fühlten.
Die mitgebrachten Medikamente, eine Spende des Deutschen Aussätzigen Hilfswerkes (DAHW), waren für die Leprakranken in diesem Land eine große Hilfe.

Es gab in Turkmenistan keine Geheimnisse bezüglich der Lepra und der Leprakranken. Wir konnten offen über die Lepraproblematik sprechen.
Im Gegensatz dazu stellten wir mit Staunen fest, dass das Stigma der Krankheit außergewöhnlich ausgeprägt ist.
Das Leprosorium, Hodscha genannt, entspricht allen abschreckenden Beispielen einer strengen Isolation.
Es liegt weitab der Zivilisation an der Bergkette Kapetdag, im Niemandsland zwischen Turkmenistan und dem Iran. Sogar der dort tätige Lepraarzt benötigt eine Genehmigung des Innenministeriums in Aschhabad, um das Leprosorium betreten zu können. Es ist uns gelungen, ebenfalls mit einer Genehmigung des Innenministeriums, dieses Niemandsland zu betreten.
Vom Turkmenischen Grenzpunkt gibt es keinen öffentlichen Weg in das Leprosorium. Wir haben diese Strecke mit einem Geländewagen bewältigt, wobei auf einer Seite die Bergkette Kopetdag und auf der anderen Seite die durch Stacheldraht und Alarmanlagen gesicherte Grenze zu sehen war.
Unterwegs gab uns der Lepraarzt strenge Anweisungen, wie z.B.: "Die Berührung der Leprakranken ist nur in Ausnahmefällen bei der Untersuchung gestattet. Die Handreichung bei der Begrüßung ist verboten."
Er erzählte uns, dass die Angst vor der Lepra so stark verwurzelt ist, dass ihn sogar seine Kollegen aus Angst vor Ansteckung meiden.
Wir haben auch erfahren, dass wir die einzigen aus Europa kommenden Besucher im Leprosorium Hodscha sind. Es ist ein Beweis dafür, meinte der Lepraarzt, dass nicht nur in Turkmenistan die Angst vor der Lepra so ausgeprägt ist.
Die Leprakranken im Leprosorium waren recht schweigsam und schüchtern. Das Leben in der Einsamkeit hat sie offensichtlich geprägt.

Die überwiegende Zahl der Leprakranken befindet sich jedoch im Norden des Landes, in der Nähe des Aralsees. Um dort hinkommen zu können, mussten wir zunächst fliegen und zwar über die Karakum - Wüste, nach Daschhowus.
Hier gibt es nur ambulante Patienten. Sie wurden anlässlich unseres Besuches in die Ambulanz zur Untersuchung bestellt. Die übrigen Patienten besuchten wir in ihren Privatwohnungen. Dabei hatten wir die Gelegenheit, uns auch mit den Angehörigen der Leprakranken zu unterhalten und konnten so unmittelbar etwas von den Sorgen und Nöten der Kranken und ihrer Familien erfahren. Stets begleitete uns der Lepraarzt, Herr Amangeldy Gowschudov. Gemeinsam mit ihm stellten wir 16 Leprakranke auf die Kombinationstherapie (MDT) ein.
Bis zu unserem Besuch in Turkmenistan wurde die antilepröse Behandlung der Patienten mit Sulfonamiden (Dapsone) durchgeführt. Es war eine Monotherapie, mit der eine lebenslange Behandlung erforderlich ist.
Die Kombinationstherapie (MDT), die schon nach 12 Monaten zur Heilung der Lepra führt, konnte aus Mangel an Informationen bis dahin nicht eingeführt werden.
Auf die Bitte des Lepraarztes wurde ihm zwar 1997 von einem Vertreter der WHO in Dänemark ein Karton mit MDT-Medikamenten zugeschickt, da aber der Beipackzettel in einer Fremdsprache geschrieben war, konnte man diese Medikamente nicht einsetzen.
Durch unseren Besuch in Turkmenistan entstand für die Lepraproblematik spürbar ein waches Interesse.
Vor Ort konnte man es kaum fassen, dass die Krankheit, die man im eigenen Lande zu verdrängen versuchte, in Deutschland ernst genommen wird und ohne Angst und Vorurteile behandelt wird.

Vereinbarungen für weitere Hilfsmaßnahmen mit dem Deutschen Aussätzigen Hilfswerk (DAHW) wurden für die nächsten fünf Jahre während der Konferenz der zentralasiatischen Länder 1999 in Almaty getroffen.
2009
Dr.Amangeldi Gowschudov, amtierender Lepraarzt in Turkmenistan, der meinem Mann und mir sehr gut bekannt war, besuchte uns im Jahre 2000 in Dinslaken. Um die Lepraarbeit zu intensivieren, wurde er auch nach Würzburg vom Deutschen Aussätzigen Hilfswerk e.V. eingeladen. Er beendete jedoch seine Tätigkeit als Lepraarzt im Jahre 2004(Rente).
Das Turkmenische Leprosorium „Hodscha“ wurde gleichzeitig wegen Verringerung der Patientenzahl geschlossen. Die Leprakranken wurden in den Norden des Landes nach Daschhowus, verlegt.
Die WHO bewirkte, dass im Mai 2009 zwei Dermatologen aus Aschhabad in Astrachan, Russland, für die Lepraarbeit in Turkmenistan geschult werden sollen.
2011
In Ashgabat, Turkmenistan, fand vom 21. – 23. Juli 2011 die „Internationale Gesundheitskonferenz“ ( International Conference of Health) statt.
Zu dieser Konferenz wurde ich von der Leiterin der dortigen WHO-Zweigstelle, Frau Dr. Bahtygul Karriyeva, eingeladen. Ihrer Einladung entsprechend stellte ich das Thema vor:
„Lepra - aktuelle Problematik weltweit. Klinik, Therapie, Rehabilitation“
„Lepra in Turkmenistan“
Im Anschluss an meine Ausführungen wurden die konkreten Möglichkeiten zur Bekämpfung der Lepra mit Dermatologen der dortigen Kliniken, mit Vertretern des Gesundheitsministeriums und der WHO analysiert.
Die Aufklärung und Schulung der Ärzte im Hinblick auf das Erkennen der vorhandenen, aber noch nicht gefundenen Leprakranken ist von größter Bedeutung zur Verhinderung der Leprainfektion.
Übrigens war dies nach 13 Jahren mein zweiter Aufenthalt in Turkmenistan.
