Aserbaidschan

Im Jahre 1998 habe ich zum erstenmal dieses Land betreten. Ein brieflicher Kontakt mit dem Gesundheitsministerium war vorausgegangen. So wusste ich schon einiges über die 95 Leprakranken des Landes. Auch bei dieser Reise begleitete mich mein Mann.
Als eine wohltuende Besonderheit habe ich die Problemlosigkeit beim Zoll empfunden. Große Kartons, gefüllt mit Medikamenten des Deutschen Aussätzigen Hilfswerkes, DAHW, wurden gleich in das Gesundheitsministerium transportiert und dort für uns aufbewahrt.
Herr Ibragimov, Beauftragter des Gesundheitsministeriums, begrüßte uns am Flughafen. Er dankte uns ganz besonders für die mitgebrachten Medikamente, die in seinem Lande nicht erschwinglich waren.
Wir sollten zunächst Leprakranke besuchen und wurden dann, am letzten Tag unserer Reise, zu einem Gespräch mit dem Gesundheitsminister eingeladen, um über die Möglichkeit einer sinnvollen Hilfe zu sprechen.
Der Weg in das Leprosorium durch Steppen und Wüstenlandschaften war für uns wegen der besonders schwierigen Straßenverhältnisse abenteuerlich. Das Leprosorium selbst, 72 km von der Hauptstadt Baku entfernt, ist mit einer Mauer umgeben. Die Schwerstkranken sind in Baracken untergebracht, die früher einmal Erdöl-Arbeitern am Ufer des Kaspischen Meeres als Unterkunft gedient hatten.
Eine Telefonverbindung zum Leprosorium gibt es nicht. Es gibt dort auch keine Kanalisation.
Wasser wird hier mit Tankwagen herangeschafft.

Es begleitete uns der Lepraarzt, der zwar sehr freundlich und zuvorkommend war, der jedoch fast nur die aserbaidschanische Sprache benutzte, da seine Russisch-Kenntnisse recht dürftig waren. Auch im Leprosorium sprach man überwiegend die einheimische Sprache, was für uns ein erhebliches Hindernis darstellte.
Glücklicherweise hatten wir einen Fahrer, der einige Jahre in der russischen Armee gedient hatte. So war er in der Lage, uns als Übersetzer zu helfen.
Die Leprakranken erzählten uns von ihren gesundheitlichen und sozialen Problemen. Die - antilepröse Versorgung erfolgte bisher mit Sulfonamiden ( Dapsone ). Es war eine Monotherapie und musste über die ganze Lebenszeit der Leprakranken durchgeführt werden.
Die Kombinationstherapie (MDT ), die zur Heilung der Lepra schon nach 12 Monaten führt, war hier unbekannt, was auch der Arzt bestätigte.
Auch allgemeine Medikamente gab es kaum.
Die Versorgung mit Brot und anderen Nahrungsmitteln war nicht gesichert, da die Transportverbindung zwischen Baku und dem Leprosorium mit alten, reparaturbedürftigen Fahrzeugen nicht immer funktionierte.
Ein Kranker, der Jahrzehnte schon in diesem Leprosorium lebte, beklagte sich weinend über sein Schicksal. "Manchmal haben wir tagelang kein Brot..."
Während ich mit den Patienten im Gespräch war, sie untersuchte und mit dem Lepraarzt über die Einnahme von mitgebrachten, für ihn aber unbekannten MDT Medikamenten sprach, beschäftigte sich mein Mann mit dem Fotografieren der Patienten und der Umgebung.
Er bestieg sogar, um gute Bilder zu machen, einen kleinen Berg, der sich in der Nähe vom Leprosorium befand. Mit den Fotos aus der Vogelperspektive war er besonders zufrieden, da er das gesamte Leprosorium von oben auch betrachten konnte. Es war ein heißer Tag mit ca. 40°C.
Seine lange Abwesenheit beunruhigte die Einheimischen. Ganz erschrocken hörten sie ihm zu, nach seiner Rückkehr. Sie sagten: "Es ist ein Schlangenberg, Tausende von kleinen, schwarzen Schlangen leben dort, jeder Biss ist tödlich".
Nur den hohen Temperaturen, bei welchen sich die Schlangen tief in die Erde verkriechen, war es zu verdanken, dass mein Mann am Leben geblieben ist.
In den Abendstunden verließen wir das Leprosorium. Es wurde angenehm kühler. Unterwegs sahen wir schwarze Schlangen, die sich im Sand vor unserem Wagen bewegten.
Beim Abschlussgespräch im Gesundheitsministerium mit Frau Gusejnowa Semfira Gadschibaba, wurden Möglichkeiten zur gemeinsamen Bekämpfung der Lepra in Aserbaidschan ausführlich besprochen.
Zwei Jahre später kehrten wir zurück nach Aserbaidschan. Es war im September 2000.

Wir haben unser Versprechen, die Versorgung der Leprakranken sicherzustellen, eingehalten. Wir verwirklichten dieses Versprechen u.a. durch den Kauf eines neuen Autos, eines Lada Niva. Dieses Fahrzeug haben wir dem Gesundheitsminister im Namen der Stadt Dinslaken übergeben, mit der Vereinbarung, dass das Benzingeld vom Gesundheitsministerium bereitgestellt wird. Anschließend erfolgte die Übergabe des Wagens an den neu ins Amt eingeführten Lepraarzt, Herrn Vidadi Aliev.
Die Zeitungen berichteten in Baku über dieses Ereignis.
Inzwischen gelang es uns, sehr gute Kontakte zum Gesundheitsministerium aufzunehmen. Frau Dr. Bachshalieva Schahnas besuchte sogar mit uns das Leprosorium.
Beim Abschiednehmen versammelten sich die Leprakranken beim Eingang des Leprosoriums. Jeder von ihnen wollte noch ganz persönlich mit uns sprechen. Als unser Wagen sich langsam in Bewegung setzte, riefen die Kranken uns zu: "Kommt wieder, wir werden auf euch warten, vergesst uns nicht". Sie hielten ihre Gehstützen hoch und winkten uns nach.
Der Abschied von den Leprakranken im Leprosorium Umbaki zählt zu den Augenblicken in meinem Leben, die ich nie vergessen werde!
März 2006 - Reise nach Aserbaidschan


Ziel der Reise war, den Leprakranken vor Ort Hilfeleistungen zukommen zu lassen und mit den Dermatologen der Medizinischen Akademie in Baku Kontakt aufzunehmen.
Die Leprakranken befinden sich weiter in der Wüste, 75 km von Baku entfernt. Das Leprosorium ist äußerst schwierig zu erreichen, die letzten 35 km führen weglos durch die Wüste. Die Patienten wohnen in Baracken, die in den 1950er Jahren von Arbeitern errichtet worden sind, die auf den dortigen Ölfeldern arbeiteten. Nach Beendigung der Ölförderung wurden in die nun leeren Baracken Leprakranke einquartiert. Dr. Aliev Vidadi, ein tüchtiger und hilfsbereiter Leprologe, hat inzwischen mit Unterstützung der Familien von Ölarbeitern einige baufällige Häuser renoviert. Drei weitere Häuser versahen wir mit neuen Dächern von insgesamt 320 qm. Stabile Dächer sind in der Wüste für die Bewohner als Schutz vor giftigen Schlangen lebenswichtig. Die Leprakranken leiden nicht nur unter ihrer Krankheit und den Folgen, sondern auch unter der Einsamkeit und dem Ausgestoßensein.
2008
Der von uns aus Dinslaken im Jahre 2000 finanzierte Geländewagen – Lada Niva – war nach acht Jahren nicht mehr einsatzfähig, nachdem er nur in pistenloser Wüste gefahren werden konnte. Um die Leprakranken weiterhin mit Nahrungsmittel, Wasser und Medikamenten versorgen zu können, habe ich einen stabilen Jeep in Baku gekauft.

2009
Auch in Aserbaischan hat sich das Leben der Leprakranken deutlich gewandelt. Die Versorgung mit Medikamenten, Wasser und Nahrungsmitteln funktioniert inzwischen. Die Leprakranken wohnen in sauberen und gepflegten Räumen, allerdings weitherhin in der Wüste als Ausgestoßene.


Die Lepraarbeit wird auch in Aserbaidschan eine neue Richtung einschlagen. Die Suche neuer Patienten und deren Behandlung ist für das nächste Jahr vorgesehen.
März 2015 – Aserbaidschan
Im März 2015 besuchte ich die Leprakranken in Aserbaidschan.
Um zu ihnen zu kommen, musste ich nach Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans fliegen. Von dieser prachtvollen Metropole am Kaspischen Meer ging es mit dem Auto weiter durch eine mit Schlangen befallene Wüste bis zum Ziel. Seit 60 Jahren leben die leprakranken hier, ausgestoßen, in vollkommener Isolation.