Die Sorge um die notdürftigen Menschen in der Welt öffnete uns in Dinslaken in den letzten Jahrzehnten neue Wege.
Vorerst entdeckten wir die Leprakranken mit ihrem unendlichen Leid, der Verkrüppelung, Verstümmelung und Blindheit. Mit viel Kraft und Einfühlungsvermögen starteten wir in Dinslaken eine Hilfsarbeit.
Die Tuberkulosekranken haben wir nicht entdeckt. Nein, sie drängten sich uns alleine auf: „Weswegen helfen Sie nur den Leprakranken und nicht uns, die wir tuberkulosekrank sind? Es ist doch nicht unsere Schuld, dass wir die verkehrte Krankheit haben?“. So beklagten sich die Tb-Kranken in Nordindien (1988).
Unsere Antwort in Dinslaken war klar, wir müssen unsere Kräfte noch intensiver mobilisieren, um auch den Tb-Kranken zu helfen. In den nächsten Jahren waren wir sogar in der Lage, die Gefängnisarbeit in Russland (Twer Gebiet, zwischen Moskau und St. Petersburg) zusätzlich zu bewältigen, (von 2000 bis 2005) und dort die Sterberate an tuberkulose-erkrankten Gefangenen von 56 auf 3 Fälle pro Jahr zu senken. Auch „Bobrowka“, das Knochentuberkulose-Zentrum für Kinder auf der Krim (damals Ukraine) mit rund 300 Kindern bewahrten wir vor der Schließung mit einer „Rettungsaktion“. Die Kinder wurden vor Invalidität bewahrt und geheilt.
Aktuell unterstützen wir uns auch mit Erfolg das Tuberkulose-Krankenhaus in Grodno, Weißrussland.
Die Lepraarbeit wird laufend fortgesetzt am indischen Subkontinent und seit 1990, nach dem Zerfall der Großmacht Sowjetunion, in den 16 eigenständigen Ländern, die 1/6 der bewohnten Erdoberfläche decken. So sind wir dort überall von Dinslaken aus präsent. Mit welchem Ergebnis?
Mr. Yohei Sasakawa, WHO Goodwill Ambassador, begleitete mich auf meinen Reisen in Zentralasien. (2012 und 2013).
In Tadschikistan, an der Grenze zu Afghanistan, sagte er: „Um die Situation der Leprakranken zu prüfen, bin ich bisher in 125 Ländern gewesen, aber das, was ich hier sehe, ist das Beste!“
In jedem dieser 16 Länder haben wir von Dinslaken aus eine Bezugsperson. Und so sind wir in der Lage, die jeweils aktuelle Situation der Lepra „in Griff“ zu halten.
Unser Weg der Hilfsbereitschaft erweiterte sich plötzlich unverhofft im Jahre 2000. Ich wurde in Weißrussland mit taubstummen Kindern konfrontiert, anschließend auch in Tadschikistan und Karakalpakstan. In diesen Ländern ist es uns gelungen, Ärzte und Logopäden zu schulen und in Berlin notwendige Geräte anzuschaffen und diese in die Zielländer zu verschicken. Wir sind dabei, die Operationsmöglichkeiten für diese Kinder abzusichern.
Aktuell das größte Lepraprojekt, getragen überwiegend von der Stadt Dinslaken, ist das Bombay Leprosy Project – BLP.
Es ist die einzige Einrichtung in Bombay, in der die Leprakranken von einem Facharzt tagtäglich und gratis behandelt werden.
In den auch bestehenden 20 Krankenhäusern gibt es nur allgemeine Ärzte, die für Leprakranke dagegen nur 4 Stunden pro Woche zuständig sind und alles muss bezahlt werden.
Obwohl in Bombay mit 16 Mill. Einwohnern das weltweit höchste Vorkommen der Lepra notiert wird, kann ich Ihnen mit großer Freude berichten, dass wir in Dinslaken in der Lage waren, dieses Projekt vor Schließung zu retten. Unsere große Sorge zurzeit ist es, dieses Projekt funktionsfähig weiter zu erhalten.
Die weltweite Zahl der neu entdeckten Leprakranken bleibt stabil in den letzten Jahren bei ca. 250.000 Fällen pro Jahr.
Es bedeutet für uns: Der Kampf mit der Lepra geht weiter bis zu dem Tag, an welchem wir sagen können: „Unsere Welt ist leprafrei“.
(Romana Drabik, veröffentlicht in den Parrnachrichten, Kirche + Leben Nr. 37, 15.09.2019)